Juncker über nationales Mitspracherecht bei CETA "Mir ist das persönlich schnurzegal"
Die EU-Kommission steht in der Kritik, weil sie die nationalen Parlamente nicht über das CETA-Abkommen abstimmen lassen will. Eine juristische Analyse ergab laut Kommissionspräsident Juncker, dass die Zuständigkeit bei der EU liege. Ihm persönlich sei das "schnurzegal".
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat die Einschätzung seiner Behörde zum Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) verteidigt. Die Frage der Zuständigkeit sei auf Grundlage einer juristischen Analyse beantwortet worden, sagte er nach dem EU-Gipfel in Brüssel. Es sei absurd zu behaupten, dass er persönlich ein Mitspracherecht nationaler Parlamente verhindern wolle. "Mir ist das persönlich relativ schnurzegal", sagte Juncker. "Ich werde nicht auf dem Altar juristischer Fragen sterben."
Juncker reagierte mit den Äußerungen auf die scharfe Kritik aus Ländern wie Deutschland und Österreich. Dort will man nicht akzeptieren, dass CETA als reines EU-Abkommen eingestuft werden soll. Dies würde dazu führen, dass zwar die Regierungen und das EU-Parlament an der Ratifizierung beteiligt werden müssen - nicht aber die nationalen Parlamente.
Merkel will Bundestag abstimmen lassen
Kanzlerin Angela Merkel will denn auch den Bundestag über das europäisch-kanadische Handelsabkommen CETA abstimmen lassen. "Wir werden den Bundestag um Meinungsbildung bitten", sagte sie nach dem ersten Tag des EU-Gipfels in Brüssel. Es gebe gute Gründe, die nationalen Parlamente damit zu befassen.
Unterstützung bekommt Merkel von Vizekanzler Sigmar Gabriel. "Jetzt zu beschließen, dass die nationalen Parlamente zu diesem Handelsabkommen nichts zu sagen haben, ist unglaublich töricht", sagte der Bundeswirtschaftsminister. Er selbst sei ein "Befürworter guter Handelsabkommen", die EU-Kommission falle aber allen Gutwilligen in den Rücken und mache ihnen die Arbeit noch schwerer. "Das dumme Durchdrücken von CETA würde alle Verschwörungstheorien zu den geplanten Freihandelsabkommen explodieren lassen", warnte Gabriel. "Wenn die EU-Kommission das bei CETA macht, ist TTIP tot."
CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt warnte ebenfalls vor einem Ausschluss der nationalen Parlamente. "Internationale Handelsabkommen wie CETA nehmen einen großen Teil in der öffentlichen Debatte ein. Deshalb dürfen die nationalen Parlamente gerade in der jetzigen Situation nicht außen vor gelassen werden", sagte sie. "Die Menschen wollen keine Entscheidungen über ihre Köpfe hinweg."
CETA vor dem Aus?
Die EU-Staaten könnten nun einstimmig festlegen, dass sie der Meinung der Kommission nicht folgen wollen. Es ist denkbar, dass die Verabschiedung des Abkommens auf unbestimmte Zeit blockiert wird. Eines der vier belgischen Regionalparlamente, die ebenfalls zustimmen müssten, hat sich bereits auf eine Ablehnung festgelegt. Bulgarien und Rumänien wiederum wollen eine Zustimmung mit Visa-Erleichterungen durch Kanada für ihre Bürger verbinden.
In Brüssel besteht hingegen seit längerem die Sorge, dass Parlamente einzelner Staaten die Weiterentwicklung der europäischen Handelspolitik blockieren könnten. Im normalen EU-Gesetzgebungsverfahren stimmen über die Vorschläge der Kommission die Mitgliedstaaten im Europäischen Rat und das Europaparlament ab. Die Vorstellung, dass nur nationale Parlamente demokratische Kontrolle gewährten, schwäche die Grundidee der EU, sagte Juncker.
CETA sieht laut EU-Kommission die Abschaffung von 99 Prozent aller Zölle vor. Nach Angaben der Behörde würde dies allein für die EU-Ausfuhr bei Industrieerzeugnissen zu Einsparungen von jährlich etwa 470 Millionen Euro führen. CETA gilt als Blaupause für das Mega-Abkommen TTIP mit den USA. Beide Verträge sollen für mehr Wachstum im Handel mit Nordamerika sorgen. Umwelt- und Verbraucherschützer fürchten eine Senkung von Standards.